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Frühzeitiger Samenerguss

Wenn der Kopf nicht mitmacht:

Vorzeitige Ejakulation, mögliche Ursachen und erste Lösungsansätze



Ejakulation vs. Orgasmus

Überraschend vielen Männern ist nicht bewusst, dass Orgasmus und Ejakulation zwei unterschiedliche Dinge sind, die von unterschiedlichen Reizen ausgelöst werden und die durchaus völlig unabhängig voneinander vorkommen können. Zu der Unterscheidung oder vielleicht sogar den Möglichkeiten, gezielt nur eines von beiden auszulösen, kommen wir an anderer Stelle.

Wichtig ist zu wissen, dass das Thema „zu früh kommen“ meist mehr mit dem Thema „Ejakulation“ als mit dem Thema „Orgasmus“ zusammenhängt. In der Sexualwissenschaft bezeichnet man Probleme mit der Ejakulation als „ejakulatorische Dysfunktion“ und trennt dabei beispielsweise in „vorzeitiger Samenerguss“ (worauf wir gleich näher eingehen werden), „verzögerter Samenerguss“ (wenn es überdurchschnittlich schwer ist, einen Samenerguss zu erreichen, bis hin zum „ausbleibenden Samenerguss“, wo er nicht mehr erreicht werden kann), die „vage Ejakulation“ (auch „sickernde Ejakulation genannt“, die eben eher heraussickert oder läuft, als dass sie gespritzt wird, wie es eigentlich durch den Muskelimpuls sein sollte), die „retrograde Ejakulation“ (also das Zurücklaufen des Samens in die Blase, was nach Prostataoperationen auftreten kann), die „spontane Ejakulation“ (ohne sexuellen Input zuvor) oder die „nächtliche“, die in einem gewissen Rahmen völlig normal ist, vor allem in jüngeren Jahren.


Vorzeitiger Samenerguss

Der vorzeitige Samenerguss, auf lateinisch „ejaculatio praecox“, ist eine der häufigsten ejakulatorischen Störungen, die bei Männern vorkommen - aber was genau ist denn überhaupt „vorzeitig“?

Es gibt Versuche, das zu definieren, die natürlich deutlich schwanken: Gemeinhin gilt ein Samenerguss als eindeutig vorzeitig, wenn er in eigentlicher Absicht, Sex zu haben, noch vor dem Eindringen oder direkt beim Eindringen vorkommt. Alles danach ist eine sehr subjektive Sache, denn was genau ist denn zu früh? Und überhaupt: zu früh wofür? Was ist hier die Messlatte? Bis das Gegenüber einen Orgasmus hatte? Bis man mindestens einmal auf zwanzig gezählt hat? Gilt eine Minute zu früh? Oder fünf? Was ist mit fünfzehn?

Man sieht hier: „zu früh“ ist eine subjektive Sache und nicht eindeutig zu definieren. Man kann sich also darauf einigen, dass der Samenerguss dann zu früh ist, wenn er vom Mann so empfunden wird. Und genau mit dieser Annahme wird auch offensichtlich, dass sich ein großer Teil der Problematik im Kopf abspielt, weil Ausdauer und eine imaginäre „Mindestzeit“, die man „durchhalten“ sollte, als Muss wahrgenommen und alles andere als Makel, als Fehler oder gar Versagen empfunden wird.

Man kann festhalten, dass bei einem vorzeitigem Samenerguss ja alles genauso funktioniert, wie es soll - nur eben zu schnell! Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Umstand körperliche Ursachen hat, ist also sogar noch geringer als bei Erektionsschwierigkeiten. In seltenen Fällen können Prostataentzündungen eine Ursache sein, hormonelle Veränderungen, Nervenstörungen oder die Schilddrüse. Aber nochmal: es funktioniert alles gut - quasi „zu gut“, wenn man so möchte. In den allermeisten Fällen liegt also eine mentale Ursache zugrunde.


Was höchstwahrscheinlich NICHT die Lösung ist

Früher wurde gemeinhin der Stammtischratschlag „denk dabei einfach an etwas Unerotisches“ verbreitet, den ich persönlich für überholt und teilweise sogar kontraproduktiv halte: Es kann doch nicht der Ansatz sein, sich während des Sex den Genuss daran abzutrainieren oder absichtlich zu verderben. Nein, es muss doch darum gehen, genau das zu lernen: Sex ohne negative Kontrollmechanismen genießen zu können.

Weiterhin denken viele Männer, die schon lange unter diesem Problem leiden, dass eine Beschneidung die Lösung sein könnte, weil sie dazu führt, dass der Penis weniger sensibel wird. Tatsächlich ist dieser Weg selten gewinnbringend: Die Eichel liegt anschließend frei und muss sich an den fehlenden Schutz erst gewöhnen, was in erster Linie dazu führt, dass das Tragen von engen Shorts oder Stoffen bzw. Hosen sehr unangenehm sein kann. Irgendwann findet eine Gewöhnung statt, die wiederum dazu führt, dass das Level an Empfindsamkeit angepasst wird - und dann beginnt man wieder von vorn. Abgesehen davon gibt es ausreichend Männer, die beschnitten sind, und dennoch unter vorzeitigem Samenerguss leiden.


Kurzfristige Lösungsansätze

Es gibt ein paar Techniken, die höchstwahrscheinlich nicht sonderlich nachhaltig sind, sondern vielmehr ein erstes Pflaster. Wichtig zu wissen ist aber, dass sie das deshalb nicht weniger wertvoll macht, denn häufig besteht in ersten oberflächlichen Effekten eine positive langfristige Wirkung: Wer nämlich zwei oder drei Mal eine bessere oder gute Erfahrung beim Sex hatte, entspannt sich vermutlich beim vierten Mal merklich und kann so im Idealfall den Teufelskreis schon durchbrechen.

Als kurzfristig wirkende „Pflaster“ gelten zum Beispiel:

  1. Kondom: Manchmal hilft schon das Überziehen eines Kondoms, um die Empfindsamkeit ein klein wenig zu mindern.

  2. Anästhetika: In der Apotheke gibt es frei verkäufliche Cremes, die zur Betäubung der Haut eingesetzt werden. Ich persönlich kenne die von Empfehlung einiger Tätowierer, die oft darauf hinweisen, oder aus dem BDSM-Bereich, wo man solche Cremes bisweilen im Rahmen einer Session einsetzt, um Sub ein klein wenig zu quälen, während man mit seinem besten Stück die schönsten Dinge macht, er aber nichts davon spürt. Der Einsatz solcher Cremes kann auch in diesem Bereich Wunder wirken - gerade wenn man das Gefühl hat, es liegt an erhöhter Empfindsamkeit.

  3. Vor dem Sex masturbieren: Zum Thema „Masturbation“ kommen wir später noch einmal, allerdings mit einem gänzlich anderen Ansatz. Generell kann es als akute Methode, häufig bei jüngeren Männern, hilfreich sein, in einigem Abstand vor dem Sex bereits zu masturbieren, inklusive Samenerguss. Mit steigendem Alter ist dieser Weg allerdings mit Vorsicht zu genießen, weil es sein kann, dass der Effekt ins Gegenteil ausschlägt und die Erektion selbst schwerer zustande kommt - vor allem, wenn dazwischen nicht viel Zeit liegt.

  4. Ablenkung: Natürlich ist der oben erwähnte „Stammtischratschlag“, man solle nebenbei an etwas anderes, etwas Unerotisches denken, nicht Sinn und Zweck der Geschichte und in meinen Augen auch kein Ansatz, den man langfristig verfolgen sollte, immerhin geht es um das Gegenteil: die Erotik ganz bewusst zu genießen. Für akute, wenige Male kann es allerdings durchaus ein Weg sein, den Samenerguss ein klein wenig hinaus zu zögern - vor allem, um ein oder zwei positive Erfahrungen zu sammeln. Wichtig finde ich, dass man sich nicht an diesen Weg gewöhnt, sondern sich gleichzeitig mit nachhaltigeren Ansätzen beschäftigt.

  5. Ejakulationsreflex unterdrücken: Auch ein interessanter Ansatz kann sein, kurz vor dem Höhepunkt innezuhalten und den Ejakulationsreflex zu unterdrücken, indem man entweder schlicht abwartet oder sogar noch nachhilft. Beispielsweise, indem man vorsichtig mit zwei Fingern die Eichel zusammendrückt (Squeeze Technik). Man legt dazu einen Finger auf das Frenulum und den zweiten auf die gegenüber liegende Seite und drückt beide vorsichtig zusammen, bis man das Gefühl hat, der Reflex lässt nach. Eine andere Methode (individuell mehr oder weniger wirksam - hier gilt es auszuprobieren) ist es, kurz vor dem Höhepunkt die Hoden leicht und vorsichtig nach unten zu ziehen. Beim Orgasmus werden die Hoden durch einen Muskelreflex nach oben gezogen - um diesem Reflex also entgegenzuwirken, kann man es mit leichtem Ziehen nach unten versuchen.


Nachhaltige Lösungsansätze

Es gibt aber auch eine Reihe von Ansätzen, die in der Regel zu einer nachhaltigeren Lösung führen können. Zumindest sind sie einen Versuch wert.


  1. Bewegung und Sport: Inzwischen haben zahlreiche Studien belegt, dass Männer, die weniger sportlich aktiv sind, eher unter vorzeitiger Ejakulation leiden als Männer, die regelmäßig Sport treiben oder sich mindestens bewegen. Zudem hat Sport eine messbar positive und sehr direkte Auswirkung auf die Selbstwahrnehmung das Selbstbewusstsein, was wiederum ein unterschätzter positiver Einfluss auf die Sexualität ist.

  2. Training der Potenzmuskulatur/Beckenboden: Kontrolle über entsprechende Muskeln und ein gutes Körpergefühl tragen essentiell dazu bei, den Zeitpunkt der Ejakulation zu steuern. Natürlich beinhaltet dieser Ansatz einiges an Geduld, Übung und vor allem Disziplin. Aber die Fähigkeit, den Ejakulationsreflex zu steuern in Kombination mit besserer oder guter körperliche Verfassung, einer gesunden Einstellung zur eigenen Sexualität und der Abkehr vom Leistungsdruck sowie einem bewussteren Zugang zum Wechsel zwischen An- und Entspannung, unter anderem durch Atemtechniken, kann Schwierigkeiten oder Störungen der Ejakulation nachhaltig positiv beeinflussen oder gar aus der Welt schaffen - und das ohne sich darauf zu konditionieren, das sexuelle Erleben „weniger“ zu genießen.

  3. Selbstbefriedigung als Übung: Die meisten Männer tendieren dazu, es sich zwischendurch und eher zweckdienlich selbst zu machen. Häufig ist es das klassische „hoch-runter“, man(n) nimmt sich relativ wenig Zeit, oder eben gerade so viel wie nötig. Der Körper ist angespannt, auf die Atmung wird nicht bewusst geachtet und das Ganze wird durch Pornokonsum intensiviert. Die Handgriffe sind meist dieselben, häufig durchaus fest, aber selten mit viel Varianz und Abwechslung. Hier kann (muss natürlich nicht!) ein Problem liegen, das nicht zuletzt eine (Mit)Ursache dafür sein kann, dass ein Mann beim Sex „zu schnell“ kommt: Bei gewissen Arten des Masturbierens „trainiert“ man seinen Körper regelrecht dazu, schnell abzuspritzen. Atmung und Anspannung spielen hier eine essentielle Rolle. Das gilt für Männer, die es gewohnt sind, „schnell mal zwischendurch“ zu masturbieren und dann auch möglichst schnell das eigentliche Ziel, den Höhepunkt, zu erreichen. Meist ist hier enorm viel Anspannung gerade in der Körpermitte im Spiel. Das Problem ist aber, dass der angespannte Rumpf weniger sensibel ist, er empfindet gedämpfter. Um aber erkennen und damit auch kontrollieren zu können, wann die Erregung am größten ist, welche Berührung und Bewegung welchen Effekt hat, wann man „kurz davor ist“, ist es eben wichtig, möglichst genau zu spüren, was im Körper vorgeht und worauf er wie reagiert. Folglich ist es im Gegenteil wichtig, zu ENTspannen, statt anzuspannen.




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