Kommunikation über After Care
Wie man richtig und für alle Beteiligten zielführend kommuniziert, lässt sich zum einen nicht pauschal und zum anderen nicht zusammenfassend beantworten. Kommunikation und wie gut sie gelingt, hängt immer von den Kommunizierenden ab. Für den Anfang ist es vielleicht wichtig, sich darüber bewusst zu werden, wie wichtig Kommunikation überhaupt ist. Das mag profan klingen, aber häufig geht man einfach davon aus zu wissen, was gut ist oder man schließt von sich selbst (also den eigenen Bedürfnisse und Empfindungen) auf andere. Beides ist nicht grundlegend falsch, muss aber auch nicht zwingen richtig sein. Die Basis ist also erst einmal, das Gespräch zu suchen und darüber zu sprechen, was dem Einzelnen gut tut und was er oder sie nach einer Session vielleicht braucht. Im Idealfall kennt man sich selbst so gut, dass man konkrete Fragen wie „was brauchst du nach einer intensiven Session?“ Beantworten kann. Häufig aber fehlt entweder die Erfahrung oder das Bewusstsein darüber, was man in diesen doch eher seltenen Situationen brauchen könnte. Um als Gegenüber (das ist gerade für den aktiven Part wichtig) vielleicht doch eine Ahnung zu bekommen, wenn der passive Part selbst wenig hat, helfen Fragen, die etwas allgemeiner formuliert sind und durch die man Rückschlüsse ziehen kann. Zum Beispiel: „Was tut dir gut, wenn du gestresst bist?“ Die meisten Menschen wissen aus Erfahrung, wie es sich anfühlt, gestresst zu sein und die meisten von ihnen kennen sich selbst zumindest gut genug, um zu wissen, was ihnen erfahrungsgemäß gut tut, oder anders: Was sie entspannt. Wie wir gelernt haben, unterscheidet der Körper erst einmal nicht zwischen positivem und negativem Stress - wir können uns hier für die After Care also Inspiration holen. Hier kommen vielleicht Antworten wie „dann nehme ich ein heißes Bad“, „ich gehe allein im Wald spazieren“, „ich höre Musik“ oder vielleicht kommen auch Antworten wie „ich gehe feiern“, „ich treffe mich mit Freunden“, „ich lenke mich ab“. Oft lässt sich also erkennen, ob ein Mensch zur Entspannung eher Ruhe und Zeit für sich braucht oder ob er eher dazu tendiert, sich durch positive Reize Ausgleich zu schaffen. Natürlich ist die Situation nach einer Session und vor allem einer sexuellen, intensiven Erfahrung nicht mit anderen Stress-Situationen zu vergleichen! Aber es ist ein Hinweis darauf, was der Mensch braucht und das wiederum hilft uns auch, denjenigen zu verstehen. Vielleicht war ich als dominanter Part vorher manchmal gekränkt, weil das Gegenüber sich nach einer Session eher zurückzieht - bis man erkennt, dass Ruhe und Zeit für sich ein Mechanismus zur Stressregulation und Verarbeitung sind und dass das Verhalten nichts mit mir zu tun hat. Vielleicht bin ich ein dominanter Mensch, der eher Ruhe braucht, habe von mir auf mein Gegenüber geschlossen und bin in bester Absicht auf Abstand gegangen, aber mein Gegenüber war gekränkt, weil es sich Nähe und ein langes Gespräch gewünscht hätte. Ihr seht: Eine pauschale Antwort ist unmöglich, aber gewisse Fragen helfen dabei, den anderen und im Zweifel sich selbst besser zu verstehen. Andere Fragen, die hilfreich sein können, sind zum Beispiel: - Brauchst du im Zweifel eher Nähe oder eher Abstand? - Gibt es Situationen, in denen körperliche Nähe dir nicht gut tut/ dir besonders gut tut? - Verarbeitest du intensive Erlebnisse eher für dich allein oder eher im Gespräch? …und etliche weitere. Wichtig ist es also, überhaupt Kommunikation stattfinden zu lassen, um zu zeigen, dass man sich für das Gegenüber interessiert und den ehrlichen Versuch wagt, herauszufinden, was der andere braucht. Aufgrund der Erkenntnisse aus solchen Gesprächen lässt sich immerhin eine erste Richtung erahnen, welchen Charakter After Care haben sollte und wie sie gelingen kann. Durch die führende Rolle ist der dominante Part hier vielleicht etwas mehr in der Verantwortung, das Gespräch zu suchen oder anderweitig herauszufinden, was sein Gegenüber braucht. Nicht, weil es in einem BDSM Regelwerk so festgeschrieben ist, sondern weil der Charakter der führenden Rolle es ihm leichter macht und es nahelegt. Sollte aus welchem Grund auch immer der führende Part dieses Gespräch verpassen, ist es am passiven Part im Sinne der Eigenverantwortung, das nachzuholen und vielleicht sogar herauszufinden, warum hier die Kommunikation fehlt. Am Ende ist auch hier alles individuell und unterliegt keinen Regeln, die man sich notieren kann. Was sich für beide gut anfühlt, ist richtig. Was am Ende dazu führt, dass es beiden nach der Session mindestens so gut (im Idealfall besser) geht als vor der Session, ist gelungene After Care in einem gesunden und lustvollen BDSM Kontext. Dazu braucht es auch kein geskriptetes Gespräch à la „Hey, wie wollen wir After Care handhaben? Was genau brauchst du, wenn wir nachher fertig sind?“. Meist ergeben sich Antworten auf diese Fragen aus dem Kontext fürsorglicher, interessierter Gespräche in Kombination mit Feingefühl, Intuition und gesundem Menschenverstand.