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Was ist „Topping from the bottom“, wie erkenne ich es und wie gehe ich damit um?


„Topping from the bottom" ist eine häufige Erscheinung, die im BDSM von manchen gehasst und von anderen geliebt wird. Generell halte ich es für wichtig, ein paar Dinge über das Prinzip zu wissen, damit man es erkennt und sich dann entscheiden kann, ob es einem persönlich zusagt - und falls nicht, wie man damit umgehen möchte. Was ist „Topping from the Bottom“?

„Topping from the bottom“ (im weiteren Verlauf hier als „TFTB“ abgekürzt) bedeutet übersetzt in etwa „Führen von unten“. Es ist ein nicht nur im Femdom, sondern allgemein in allen D/S-Konstellationen im BDSM gebräuchlicher Begriff und bezeichnet das, was passiert, wenn der submissive Part, der sich klassischerweise führen lässt, unabgesprochen beginnt, die Führung zu übernehmen. Wie erkenne ich es?

Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil die Antwort, wie so häufig, von der individuellen Konstellation der Beteiligten abhängt. Ein klassisches Beispiel, um vielleicht das Prinzip verständlich zu machen, ist der Masochist (der also durch Schmerz sexuell erregt wird), der weiß, dass er bei einem Widerwort mit dem Rohrstock bestraft wird. Weil ihn aber eben diese Strafe erregt und sie im Grunde das ist, was er möchte, gibt er gezielt Widerworte, um eben diese Strafe zu erreichen. Der dominante Part steht also vor der Entscheidung, entweder konsequent zu sein und die angekündigte Strafe auch zu erteilen, aber dafür eben auch Sub genau das zu geben, was er indirekt verlangt hat - die Rollen hätten sich in gewisser Weise umgekehrt, Sub hätte hier geführt. Oder Dom entscheidet sich gegen die Strafe, um Sub die Genugtuung nicht zu gönnen, dass er bekommt, was er eben provoziert hat - hätte dann aber seine eigene Regel („Widerworte führen zu Strafe“) nicht eingehalten. TFTB kann also auch schon passieren, wenn Sub mehrfach um etwas bittet, das er gern hätte, bis ihr schließlich nachgebt, weil ihr ihm eine Freude machen wollt oder schlicht genervt seid - und nicht, weil ihr Lust darauf habt. Es kann sein, dass in einer Session provoziert wird oder ganz gezielt gereizt, um zu erreichen, dass man als Dom strenger oder sogar ernsthaft wütend wird, weil Sub sich härtere Strafen wünscht. Es kann aber auch sein, dass ein erfahrener Sub auf eine unerfahrene Dom trifft und ihr ganz bewusst während der Session durch subtiles Entgegenkommen ein klein wenig „hilft“. All das kann TFTB sein und noch einiges mehr. Der Klassiker ist also der, in dem Sub mehr oder weniger bewusst und gezielt etwas macht, von dem er weiß, es führt zu etwas, das er gern hätte. Er übergeht dadurch bisweilen gewisse Regeln, untergräbt die Dominanz seines Gegenübers oder stört das Machtgefälle und damit oft auch die Stimmung. Ich denke, es ist hier wichtig zu erkennen, dass die Grenzen fließend sind zu anderen Bereichen, wie beispielsweise misslungener Kommunikation oder auch Übergriffigkeit. Die Frage, was davon nun was ist, ist häufig schwierig bis unmöglich zu beantworten - und in meinen Augen auch unnötig. Ob man etwas als TFTB wahrnimmt oder nicht, ist in meinen Augen zweitrangig (wenn ihr mich fragt, gibt es kein „Goldenes Buch des BDSM“, in dem alles streng definiert ist). Es geht doch vielmehr um Fragen wie: „Geschieht etwas, das mir Unbehagen bereitet und wenn ja, wie gehe ich damit um?“ oder „Hilft er mir ein wenig bei der Führung, weil er erfahren ist und es mich nicht stört und wenn ja, wäre das schlimm?“ oder eben auch Fragen wie „Ist das noch TFTB oder ist das schon Übergriffigkeit?“.

Gerade zu der letzten Frage möchte ich kurz gesondert Stellung nehmen, bevor ich weitermache. Ist das noch TFTB oder ist das schon übergriffig?

Ich persönlich halte die Grenzen hier für sehr fließend, weshalb ich jeder von euch dazu raten möchte, am Ende des Tages immer auf ihre Intuition, ihr Bauchgefühl zu hören. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass diese fließende Grenze gerade in der Phase des Kennenlernens von großer Bedeutung sein kann. Submissive Männer haben den großen Nachteil, dass sie durch ein sehr unausgeglichenes „Angebot-Nachfrage“-Verhältnis oft Schwierigkeiten haben, eine passende dominante Frau zu finden. Viele sind über mehrere Jahre hinweg allein mit ihrer Neigung und sehnen sich danach, sie auszuleben - was ich für einen Grund halte, hier ehrlich nachsichtig zu sein und sich diesen Umstand regelmäßig ins Gedächtnis zu rufen. Ich persönlich möchte mit dieser Situation nicht tauschen wollen. Bei manchen submissiven Männern allerdings, die nach langem Suchen eine Frau treffen, die Interesse zeigt, folgt ein „kleiner Finger, ganze Hand“-Prinzip: Sie wollen möglichst viel, möglichst zeitnah. Dabei begegnen einem häufig Männer, die einem die eigene Submissivität, die Ergebenheit, das Dienen-wollen als großzügige und selbstlose Haltung verkaufen möchten, während es sich häufig nicht so anfühlt. Beispiel: Ich habe das oft in den ersten Tagen eines Chatverlaufs oder beim Ausmachen eines ersten Treffens am deutlichsten gemerkt: Trotz klarer Kommunikation, dass ich mich erst auf Augenhöhe treffen, denjenigen erstmal als Mensch und später als Sub kennenlernen möchte, folgten mehrere Nachrichten à la „wenn Sie möchten, können wir aber auch schon beim ersten Treffen spielen!“, „nur damit Sie es wissen: ich spüle mich zu dem Treffen, damit Sie sich austoben können, falls sie spontan doch Lust dazu verspüren!“ und ähnliche. Auf den ersten Blick wirken solche Aussagen, rhetorisch betrachtet, wie Angebote, nett gemeint und entgegenkommend. Was sie allerdings verursachen, ist häufig ein unterschwelliger Druck, der einen Schatten über den gesamten Kontakt legt und bei mir nicht selten dazu geführt hat, dass ich das Treffen abgesagt habe, nachdem auch nach mehrmaligen Bitten diese Art zu fordern nicht unterlassen wurde. WICHTIG: Ich persönlich halte es im gesamtem Femdom-Bereich, von Kontaktaufnahme bis eingespielter Session, für essentiell, sich der feinen Linie bewusst zu sein zwischen einem Sub, der ehrlich anbietet, damit Dom von sich aus auswählen kann, und einem Sub, der seine eigenen Bedürfnisse als nett gemeintes Angebot „verkauft“. Fragt euch bei solchen „Angeboten“ also immer: Wer von uns beiden hat mehr davon? (die ideale Antwort ist übrigens weder „er“ noch „ich“, sondern „wir beide gleich viel“) oder alternativ „Was fühle ich dabei?“ (also eher Erregung, Vorfreude, Inspiration, positive Anspannung - oder eher Druck, Verpflichtung, schlechtes Gewissen und Unbehagen). Das Schwierige daran ist, dass man im ersten Augenblick dazu neigt, sich zu bedanken, weil diese „Angebote“ meistens entgegenkommend formuliert sind („extra für Sie würde ich“ und „ich stehe Ihnen und Ihrer Lust zur Verfügung“, usw.). Wenn man in dieser Schleife hängt, zählt das in meinen Augen ebenfalls zu einer Art des TFTB - manchmal sogar zu einer übergriffigen. Natürlich muss man differenzieren: Erstens ist es mir wichtig zu betonen, dass diese Aussagen per se nichts Schlechtes sind und kein Zeichen für irgendetwas, sondern tatsächlich genau so nett gemeint sein können. Wichtig ist einzig und allein der Kontext: Ein „ich werde heute den Tag im Käfig verbringen, falls Sie doch noch Lust haben zu spielen“ kann in einer eingespielten Konstellation genau das sein, was sie hören möchte. Derselbe Satz nach drei Tagen online Kontakt kann sich absolut übergriffig und drängend anfühlen. Mir ist wichtig, hier keine Leitlinie zu verkaufen, wonach man in Situation A die Handlung B machen sollte - so etwas gibt es in meinen Augen nicht. Sondern vielmehr zu vermitteln, wie wichtig es ist, auf seine individuellen Bedürfnisse zu achten, Grenzen zu erkennen und sie dann (euch und eurem Gegenüber zuliebe) klar zu kommunizieren. Es ist eure Verantwortung gegenüber euch selbst ist, auf euren Bauch zu hören und nichts zu tun, wozu ihr keine Lust habt - das gilt für die dominante Seite genau so wie es für die passive gilt! Achtet auf eure Bedürfnisse, auf eure Intuition. Fühlt ihr euch gedrängt? Ist euch etwas unangenehm? Seid ihr kurz davor etwas zu tun, nur damit euer Gegenüber zufrieden ist oder weil ich euch zu Dank verpflichtet fühlt oder ihn belohnen möchtet, obwohl ihr sein „Opfer“ gar nie verlangt habt? All diese Gefühle sind Indizien dafür, dass etwas schief läuft und ihr die Sache aus dem falschen Grund macht. Das ist nicht der Sinn und Zweck der Geschichte und ich halte es für einen Kern der Eigenverantwortung, auf eigene Bedürfnisse zu achten und Grenzen zu ziehen und zu kommunizieren (übrigens eines der Dinge, bei denen mir Femdom langfristig auch im Leben geholfen hat: zu lernen, meine Grenzen herauszufinden, klar zu benennen und zu kommunizieren). Zweitens liegt es im Anschluss in eurer Verantwortung gegenüber dem Sub, dass ihr genau das kommuniziert. Es heißt nicht umsonst: Im Zweifel für den Angeklagten! Vielleicht meint er es ja wirklich nur gut, vielleicht ist er unbeholfen in der Kommunikation, aus der Dating-Übung oder einfach ein wenig zu sehr im Eifer des Gefechts. Im Idealfall genügt ein klarer Hinweis darauf, dass ihr das nicht möchtet und dass ihr schon auf ihn zukommen werdet, wenn ihr in diese Richtung gehen wollt. Wenn sich das Verhalten nach ein oder zwei solcher klarer Hinweise wiederholt, sollte man über Konsequenzen nachdenken oder sich überlegen, ob es das richtige Gegenüber ist. Wie gehe ich nun damit um? Nun, der erste Schritt ist wohl, sich erst einmal zu überlegen, ob es in die Richtung von TFTB geht und ob das überhaupt etwas Negatives für euch ist. Wie oben schon beschrieben gibt es Situationen, in denen ein leichtes, subtiles TFTB sogar hilfreich sein kann, gerade wenn man noch eher unerfahren ist. Andererseits gibt es auch unter den erfahrensten Doms diejenigen, die ein klassisches „der Masochist provoziert die Strafe“ als absolutes Unding abtun, und jene, die das einfach mit in die Session einbauen, es als Flow annehmen und den Sub gewähren lassen. Es kommt ein wenig darauf an, wie euer Dominanz-Stil funktioniert: geht es euch sehr um das Einhalten von Regeln, das Beachten des Machtgefälles, das Unterordnen und das klare Strafen? Dann wird euch das eher bitter aufstoßen und ihr solltet es ansprechen. Oder seid ihr ohnehin ein Switcher, für den die Grenzen fließend sind, oder jemand der es schätzt, wenn das Machtgefälle infrage gestellt wird oder wenn Sub einfach ein bisschen „mitführt“, weil es euch Denk-Arbeit abnimmt? Auch das ist legitim - so wie alles, was sich für alle Beteiligten gut anfühlt. Sollte euch das TFTB eher negativ aufstoßen, ist die Art im Grunde egal: der Schlüssel liegt dann generell, wie meistens, in der Kommunikation. Handelt es sich um TFTB, das in Richtung Übergriffigkeit geht, wie oben beschrieben, ist vermutlich der erste Weg das direkte Gespräch, wenn möglich auf Augenhöhe. Kommuniziert eure Bedürfnisse und kommuniziert vor allem, womit ihr euch unwohl fühlt. Überlegt euch vor dem Gespräch (oder dem Chat/der Nachricht), was ihr sagen möchtet: Geht es um etwas Konkretes oder eher um eine Art eures Gegenübers? Gibt es Dinge, von denen ich konkret formulieren könnt, die euer Gegenüber bitte unterlassen soll? Auch wenn es unangenehm ist: Es ist wichtig zu üben, genau solche Dinge höflich zu kommunizieren. Wichtig ist auch mitzuteilen, warum ihr das nicht möchtet: Nämlich weil es bei euch ein gewisses Gefühl auslöst. Oft ist Sub überhaupt nicht bewusst, dass er subtilen Druck ausgeübt hat. Im Idealfall lernen beide noch etwas daraus und alles ist schnell aus der Welt geschafft. Handelt es sich um TFTB, das während der Session vorkommt (wie der Klassiker des Masochisten, der die Strafe provoziert) und euch negativ aufstößt, dann überlegt euch, ob ihr das direkt oder lieber nach der Session ansprechen wollt. Intuitiv würde ich hier raten, das davon abhängig zu machen, wie ausgeprägt es geschieht und wie unwohl ihr euch dabei fühlt: Ist es nur eine Kleinigkeit, die euch zwar aufstößt, aber die Session im Weiteren nicht wirklich beeinflusst, ist es ratsam, es entweder zu übergehen, es sogar ins Spiel einzubauen (eher für Erfahrene) oder ansonsten das Gespräch NACH der Session auf Augenhöhe zu suchen und es in der Nachbesprechung zu thematisieren (mehr dazu im Kapitel „Nachbesprechung“ sowie im Kapitel „Session vorzeitig abbrechen müssen“). Eine mit TFTB verwandte, aber im BDSM allgemein eher positiv besetzte Form ist der „Brat“, also der aufmüpfige Sub - ein Prinzip, das man genauso aus dem MaleDom-Bereich kennt. Aufmüpfigkeit und bewusstes Provozieren kann als Spielart oder als unangenehmes TFTB wahrgenommen werden - siehe dazu das entsprechende Kapitel.


Wir fassen also kurz zusammen:


„Topping from the bottom“ bedeutet soviel wie „Führen von unten“ und geschieht immer dann, wenn eine Situation oder eine Handlung eher von Sub als von Dom initiiert wurde und kann positiv, negativ oder neutral wahrgenommen werden - das ist völlig individuell. TFTB kann klassischerweise während der Session, beispielsweise durch eine provozierte, weil gewollte Strafe vorkommen, oder auch im Kontakt außerhalb der Session. Manchmal bewegt sie sich an der feinen Linie zur Übergriffigkeit, die immer dann als solche erkannt werden sollte, wenn man selbst das Gefühl hat, zu einer Sache mehr gedrängt zu werden als sie wirklich selbst zu wollen. In jedem Fall ist Kommunikation das Mittel der ersten Wahl. Kommuniziert außerhalb der Session, auf Augenhöhe und höflich, aber bestimmt eure Bedürfnisse, womit ich euch unwohl fühlt und welche Gefühle (bspw. Druck oder Erwartungshaltungen) ein Verhalten in euch auslöst und äußert dann konkret, dass ihr das nicht möchtet. Meist basiert das Ganze auf Unbeholfenheit oder einem Missverständnis und erledigt sich dann schnell. Sollte es sich nach klarer Kommunikation wiederholen, solltet ihr euch individuell überlegen, wie und ob ihr weiter damit umgehen möchtet. Solltet ihr für euch entdecken, dass es sich neutral oder sogar positiv anfühlt, wenn Sub ein wenig „mitführt“, dann lasst euch nicht irritieren, weil der Begriff für viele negativ besetzt ist: Erlaubt ist, was sich für euch und euer Gegenüber gut anfühlt!

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