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Wie lerne ich, meinen Sub zu deuten?


In jeder SM-Session ist es von grundlegender Wichtigkeit, dass der dominante Part mehr oder weniger in der Lage ist, die Signale des submissiven Gegenübers richtig zu deuten, damit er bzw. sie entsprechend handeln und reagieren kann. Gerade am Anfang kann dieses Deuten, das oft irgendwo zwischen Raten und Interpretieren liegt, ausgesprochen schwierig sein und besonders dann, wenn man möglichst alles richtig machen möchte, zu Unsicherheit führen. Es gibt deshalb ein paar grundlegende Tipps, die ich euch gern mit auf den Weg geben würde, denn auch das Deuten eines Menschen (noch dazu in einer solchen Situation) ist nichts, was man über Nacht lernen kann oder wofür es eine Gebrauchsanweisung gibt - immerhin ist jeder Mensch individuell. Aber es gibt ein paar Hilfestellungen, mit denen man zumindest nichts falsch machen kann und die euch (wieder hauptsächlich durch Routine und Erfahrung) langfristig helfen können. Aber vorab: Warum ist es überhaupt so wichtig, sich damit zu befassen? Als dominanter Part habt ihr Privilegien, die ihr sonst selten oder nie genießt. Ihr dürft zu euer beider sexueller Erregung mehr oder weniger nach eurem Gusto eine SM-Session gestalten und euer Gegenüber vielleicht demütigen, benutzen, ihm Schmerzen zufügen oder andere ansonsten negative konnotierte Dinge mit ihm anstellen. Der Preis für dieses Privileg ist die Verantwortung, die zwar nicht nur, aber durchaus zu großen Teilen und vor allem in gewissen Bereichen bei euch liegt. Beispielsweise tragt ihr die Verantwortung dafür, dass ein Rahmen geschaffen ist, in dem euer Gegenüber jederzeit ein Zeichen oder ein Stoppsignal geben kann. Ihr tragt die Verantwortung dafür, dass ihr mit eurem Gegenüber nichts macht, von dem ihr wissen könntet, dass er es nicht möchte. Und ihr tragt die Verantwortung, dass ihr in eurem Ermessen und im Rahmen eurer Fähigkeiten euer Möglichstes versucht, um auch während der Session das Wohlbefinden eures Gegenübers im Auge zu haben. Dieses „mein Gegenüber im Auge haben“ beinhaltet beispielsweise regelmäßige Kommunikation, das regelmäßige infrage Stellen, ob die angewandte Praktik noch und auch weiterhin innerhalb des besprochenen Rahmens liegt. Es beinhaltet den Blick für den Menschen, der sich in eure Hände begibt und den ehrlichen Versuch, seinen Körper und seine Reaktionen bestmöglich zu deuten und zu lernen, wie man unterscheidet, ob der empfundene Schmerz gerade im Grenzbereich liegt oder genau das ist, was euer Gegenüber eben sexuell erregt - oder vielleicht beides. Gibt es Anhaltspunkte, die universal gültig sind? Eine Garantie dafür, dass bestimmte Körperreaktionen bei unterschiedlichen Menschen dasselbe aussagen, gibt es nicht. Das Ziel sollte immer sein, das Individuum kennen und deuten zu lernen. Allerdings gibt es ein paar Hinweise, die zumindest im Regelfall nicht ganz falsch sind. 1. Auch wenn euer Gegenüber keinen Ton von sich gibt, gibt es Zeichen, die ihn verraten, sobald der Körper Schmerzen empfindet: Reflexartiges Verziehen der Gesichtsmuskulatur, Zusammenpressen der Lippen oder Augen, Erhöhung von Puls bzw. Herzschlag (ihr müsst hierfür natürlich nicht klassisch den Puls messen, außer ihr wollt die Session in ein Klinik-Spiel drehen - es genügt, eine Handfläche auf die Brust zu legen, was nicht nur dazu führt, dass ihr den Herzschlag fühlt, sondern auch andere positive Effekte hat, beispielsweise die Verbindungen zwischen euch intensiviert und dem Sub Sicherheit vermittelt; auch dazu im entsprechenden Kapitel mehr). Deutliches Indiz sind auch immer eine schnellere oder flachere Atmung, Anspannung der Muskulatur an unterschiedlichen Stellen oder der Reflex, der Schmerzursache auszuweichen. Auch Schwitzen (zu Beginn häufig im Bereich des oberen Rückens und der Stirn) ist recht zuverlässig ein Signal dafür, dass der Körper eures Gegenübers gerade mit dem Schmerz arbeitet. 2. Auch Geräusche sind ein spannendes Indiz für unterschiedlichste körperliche Zustände. Während man die Atmung (selbst wenn sie recht schnell geht) nicht deutlich hört, solange man nicht bewusst darauf achtet, äußert sich körperliche oder sexuelle Spannung nicht selten über Stöhnen oder gar Knurren oder Schreien. Ein tatsächliches Schreien lassen wir an dieser Stelle außen vor, weil es entweder auftritt, wenn es um wirklich starken Schmerz im Grenzbereich geht (und der kommt nur unter erfahrenen BDSMlern vor und selbst hier nur bei einem Bruchteil), oder wenn etwas schief geht und davon gehen wir hier nicht aus. Eine Art Knurren hingehen (oder vergleichbare Geräusche) sind nicht selten, auch wenn es um ganz harmlosen bis moderaten und erregenden Schmerz geht. Es kann ausgesprochen spannend sein, sein Gegenüber auch hier gut zu beobachten und herauszufinden, wann er stöhnt, wann er knurrt oder wann und warum er andere Geräusche von sich gibt. Ist es bei gewissen Dingen auffällig leise? Hält er sogar die Luft an und verkneift sich Geräusche? Knurrt und grummelt er, wenn ihr ihn kurz vor den Orgasmus bringt und dann aufhört oder vielleicht eher, wenn etwas Unangenehmes im Spiel ist? Macht er sich schon vorher bemerkbar oder immer erst im letzten Moment? All das sind zuverlässige Zeichen, die euch helfen, euren Sub während der Session zu deuten - man muss sie nur einmal beobachtet und verstanden haben. 3. Die Hände zu Fäusten zu ballen (oft wiederholt) ist ein Zeichen für Anspannung, ob nun innerlich oder äußerlich. Teilweise aufgrund von körperlichem Schmerz, teilweise auch aufgrund innerer Spannung, die positiv oder negativ sein kann: Psychisches Unwohlsein kann zu Anspannung führen, genau wie sexuelle Erregung. Häufig sieht man diese Bewegung auch, wenn jemand mit den Armen nach oben gefesselt ist. Hier kann es zum Beispiel passieren, dass eurem Gegenüber die Hände einschlafen und der Körper durch das Ballen der Fäuste dagegen arbeitet, noch bevor er es tatsächlich bewusst registriert. Achtet auf solche Kleinigkeiten: Wenn die Arme einschlafen, ist es ratsam, die Fesselung zu lösen - gerade in dieser Situation sind Schwierigkeiten mit dem Kreislauf oft nicht weit. Versucht, bewusst auf diese Anzeichen von Anspannung zu achten und vielleicht auch neue, individuelle herauszufinden und zu entdecken. Macht es euch quasi zur persönlichen Aufgabe, gerade bei einem regelmäßigen Partner, seinen Körper kennenzulernen - mindestens so gut wie er ihn selbst kennt. Das kann eine ungemein spannende Sache sein, die am Ende für euch beide gewinnbringend ist. Zudem sind solche Anspannungszeichen oft keine, die der derjenige selbst bewusst wahrnimmt und somit oft auch nicht vorab kommuniziert. Es wäre natürlich ausgesprochen einfach, wenn unser Gegenüber uns vor der Session sagen könnte „immer wenn ich die Augen zusammenkneife oder meine Zehen zusammenrolle, bin ich an der Schmerzgrenze“ oder „ich fange immer an, flach zu atmen, wenn ich sexuell erregt bin und gleichzeitig Schmerzen empfinde, dann dauert es nicht mehr lang, bis mein Kreislauf darauf wiederum reagiert“. Da die Situation einer Session oft für denjenigen selbst auch neu ist oder er seinen Körper einfach nicht derart gut kennt bzw. noch nie vorher so bewusst auf diese Details geachtet hat, ist es selten, dass ihr solche konkreten Anleitungen vor der Session an die Hand bekommt. Es kann also für euch und am Ende auch für ihn (zum Beispiel, wenn ihr ihm dann in der Nachbesprechung von euren Beobachtungen berichtet) mehr als spannend sein, auf solche Dinge zu achten. PROTIPP: Die Beobachtungssession Versucht doch einmal, bei einem Mann, mit dem ihr regelmäßig spielt, eine Session so zu gestalten, dass sie zu einer beinahe wissenschaftlichen Beobachtungssituation wird. Dazu plant ihr die Session so, dass der Fokus weniger auf einem perfekten Aufbau liegt, auf Outfits, kreativer Ausgestaltung oder besonderen sexuellen Spielereien, sondern mehr darauf, unterschiedlichste Reizimpulse zu setzen und die Reaktionen zu beobachten - als wäre sein Körper euer Studiumsobjekt (natürlich eines, mit dem ihr verantwortungsbewusst umgeht!). Setzt Schmerzimpulse an unterschiedlichen Körperstellen, von unterschiedlicher Art und Stärke und arbeitet mit der Zehner-Skala (mehr dazu im Kapitel „Zehner-Skala“), um herauszufinden, wann ihr euch in welchem Bereich bewegt. Setzt dann andere Reizimpulse oder Sinnesentzüge ein, beispielsweise Augenbinden, Fixierungen an den Händen, Knebel oder was auch immer euch einfällt. Beobachtet ihn: Wie reagiert er? Steigt sein Herzschlag oder bleibt er entspannt? Steigt die körperliche Anspannung, wenn er nichts mehr sieht? Oder vielleicht erst in Kombination mit Schmerzreizen? Wie äußert sich das? Gehört er zu denen, die vermehrt schwitzen oder kneift er eher das Gesicht zusammen oder ballt seine Hände zu Fäusten? Wie ist seine Atmung und bei welchen Reizen und Impulsen ändert sie sich und wie? Im Idealfall besprecht ihr all eure Beobachtungen danach mit ihm und findet so zudem heraus, wie sich welches Stadium für ihn angefühlt hat. Ihr werdet euch wundern, wie spannend und lehrreich so ein Abend sein kann - für beide! Und das Schöne dabei ist, dass es nur gewinnbringend sein kann: Ihr könnt die Basics üben, ohne komplizierte Techniken oder starke Schmerzen anwenden zu müssen, weil es darum hier überhaupt nicht geht - das gibt euch Sicherheit durch Routine und Erfahrung. Noch dazu lernt ihr deutlich mehr über seinen Körper als wenn ihr seine Reaktionen nur nebenbei zu registrieren versucht. Das wiederum ist die beste und verantwortungsvollste Basis für weiteres, tiefergehendes, intensiveres Spiel und erzeugt dadurch zusätzliche Sicherheit, weil ihr beim nächsten Mal das Gefühl habt, euer Gegenüber zu kennen und zu wissen, was auf euch zukommt. Insgesamt kann es sehr erleichternd sein, wenn man sich eine Session lang nur auf das Lernen körperlicher Reaktionen konzentrieren kann, ohne sich nebenbei über den perfekten Ablauf oder anderes Gedanken machen zu müssen.

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